Ausschnitt aus "Wenn die Filzlaus zweimal juckt"

Stiftung Blondinentest

Seit nunmehr fünfzig Jahren behauptete sich die Stiftung Blondinentest als gemeinnütziger Verein in der Bundesrepublik Deutschland. Sie waren gemein, und nützten das schamlos aus. Schließlich ging es um staatliche Fördergelder in Millionenhöhe. Gegründet von Bruce Twarze, dessen Ölgemälde auch heute noch über dem Kamin in der Lobby hing. Gemalt von seinem Leibadjutant Dick Opf. Direkt über dem Bärenfell einer gehäuteten Blondine. Wie sie an seinem Namen schon geahnt haben, kam Bruce mit den amerikanischen Besatzern nach Deutschland, um das heilige Tittenevangelium zu lehren. Er galt als Absolvent der elitären Hugh-Hefner-Akademie der geilen Künste. Damals steckte Hugh Hefners Hochglanzpostille noch in den Babydolls, aber er galt bereits als Verleger einer neuen Generation. Mit diesem Wissen im Gepäck, machte Bruce Twarze sich auf die Socken. Auch von Seiten der Amerikaner hatte er einen Stapel Dollarscheine im Köfferchen. Jahrzehnte später sollte die Bildzeitung aufdecken, dass er Teil des geheimen Marshallplans war, um Deutschland wieder aufzuforsten. Und wenn es nur einen üppigen Busches bedurfte, der an einer freundlichen Wasserscheide grünte.

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Von den unbedarften Gründertagen war nicht mehr viel übriggeblieben. Kapitalistische Überlegungen bestimmten das Programm. Hektik herrschte in der Redaktion. Die Feuilletonschreiber hatten den Annahmeschluss verpasst, und die aktuelle Ausgabe ging schon übermorgen in Druck! Bärenjäger wurden ausgeschickt. Sie legten ihre Fallen in Schuhgeschäften, Diskotheken und Solarien. Überall da, wo man Blondinen in freier Wildbahn begegnete. Bruce Twarze paffte genüsslich eine Zigarre, die er sich mit einem Schwangerschaftstest anzündete. War er Vater geworden oder nicht? Er hasste Pimmelbingo. Genauso wie Unterhaltsklagen.
Stiftung Blondinentest galt im deutschen Blätterwald als toughes Magazin, mit Fakten so knallhart, wie die Latte von Bruce Twarze. Regelmäßig wurden Blondinen auf den Prüfstand genommen. Auf Hirn und Zwirn geprüft. Legendär war die Ausgabe über schicke Zwickel, nach der sich Sammler heutzutage noch die Wichsgriffel lecken. Doch auch der intellektuelle Teil kam nicht zu kurz. Interviews mit Stars und Sternchen gehörten zum festen Inventar der Stiftung Blondinentest. Zweitausendfünf bekamen sie vom Sender Arte das Kulturlabel aufgedrückt. Wütend über diese Auszeichnung entschied Chefredakteur Bruce Twarze, den Anteil der Geschlechtsorgane im Fototeil zu erhöhen. Es konnte ja nicht angehen, dass man die Stiftung Blondinentest im gleichen Atemzug mit dem Spiegel nannte!

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Bruce Twarze hatte die nächste Redaktionssitzung in den Golfclub verlegt. So konnte er sich seinen Zerstreuungen hingeben. Und einlochen, wie es ihm lustig war. Heute hatte er sich achtzehn Löcher vorgenommen. Nicht wenig, selbst für einen Gentleman. Aber wuchs ein Mann nicht mit seinen Aufgaben? In sie hinein? Eistee schlürfend hörte er sich die Berichte seiner erfahrensten Reporter an. Niemand Minderes hätte er auf das Feld der Recherche geschickt. Pulitzerpreisträger, mit dicken Eiern in der Hose.
„Jungs, was habt ihr zu vermelden?“
„Wir begegneten einer Sehnenscheide.“
„Also einer ganz sehnigen Scheide.“
„Geradezu knorpelig. Ungenießbar.“
„Was sagen die Bärenjäger?“
„Ach, auf das Volk ist dich kein Verlass. Kaum geht ihnen eine Blondine in die Falle, rufen sie ihr doch schon ein Taxi. Keine blieb zum Frühstück.“
Bruce Twarze sorgte sich um die Zukunft der nächsten Ausgabe. Sie hing am seidenen Faden des Strings einer Stripperin. Apropos: War nicht freitagabends Tabledance in dieser kleinen Bumskaschemme am Flughafen? Ohne eine tragfähige Story konnte er seinen Laden dichtmachen. Die kleinen Kriecher mit dem Notizblock zwischen die Arschbacken geklemmt, ahnten nichts von seiner Not. Der Verantwortung eines Chefredakteurs. Dem Redakteur ist nichts zu schwör. Außer einem Zwei-Zentner-Luder obenauf. Da ächzt selbst ein Gentleman!
„Chef, ich habe einen erstklassigen Skandal recherchiert.“
„Na dann mal auf den Tisch damit. Ob zugewuchert oder rasiert, ist mir egal. Hauptsache Möse.“
„Ich habe mich da neulich wieder in der Damenumkleide rumgetrieben.“
„Inkognito hoffe ich doch, oder?“
„Selbstredend. Ich war als Tampon verkleidet.“
„Und was haben sie herausgefunden?“
„Wilma Lecken ist gar keine echte Blondine. Also obenrum schon, aber mal so von unten betrachtet...“
„Nein, ich fasse es nicht. Sie färbt?“
„Ich sah's mit eigenen Stoppeln.“
„Kalle, das wird morgen die große Schlagzeile!“

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Nicht nur Schlagzeilen prägten das Bild von Stiftung Blondinentest. Entscheidend waren auch die Tests, die monatlich in der Hauspostille veröffentlicht wurden. Um die Stelle des Testfickers zu bekleiden, wurden hohe Anforderungen gestellt. Geduscht musste man sein. Sich die Schweißkristalle aus den Achseln klopfen, zählte nicht. Auch wenn sie noch so bröckelten. Rieselten, wie übelriechende Schuppen.
Anfangs nahmen sie vor allem verheirate Männer, wegen ihres soliden Lebenswandels. Leider kam es bei Zusammenstößen mit wütend geschwungenen Nudelhölzern zu Verletzten und hässlichen Scheidungen. Horrende Unterhaltszahlungen zehrten am knappen Budget der jungen Redaktion. Entnervt änderte Bruce Twarze daraufhin die Stellenausschreibung: Nun suchten sie Junggesellen. Jung mussten sie nicht sein, aber gesellig. Geübt im Herrenwitz zur vorgerückten Stunde. Ein Krawattenschal musste es schon sein, und ein Überzieher aus feinstem Schlangenleder. Sie hatten einen kulturellen Auftrag zu verteidigen. Und unabhängig mussten sie sein, wie ein Schiedsrichter nach dem fünften Jägermeister.
Bei der Auswahl der Blondinen überließ Bruce Twarze ihnen freie Hand. Es konnte die knusprige Bäckerin von nebenan sein, oder auch das listige Luder mit dem Lungenemphysem aus dem Wartezimmer. Sie musste nur das gewisse Etwas mitbringen, um in das Magazin aufgenommen zu werden. Dafür wurde jede von ihnen auf Herz und Schmerz von den Testfickern geprüft. Rein muss er, und wenn wir beide quieken wie zwei Ferkel. Da nützte es auch nicht, den Freischwimmer auf dem Rücken gemacht zu haben. Besondere Fähigkeiten waren gefragt. Freihändiges Zugreifen! Pelzverbrämte Säume. Immer gut druff! Lies es von meinen Lippen: Das wird ein Superstar!

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Stiftung Blondinentest galt in Fachkreisen als besonders innovatives Magazin. Mit Fakten, so knallhart wie die Nippel des Titelmädchens. Dazwischen floss das Büchsbier wie ein schäumender Bach, der sich wischen den Schenkeln einer holden Maid ergoss. Jedenfalls, wenn sie Tripper hatte. Allerdings ohne die hässlichen kleinen Bröckchen. Legendär waren die Partys nach Redaktionsschluss, wenn das gesamte Team unter lautem Hallo und Vuvuzelagetröte in den Puff einrückte. Wirklich gute Artikel waren nach solchen Nächten nicht zu erwarten. Eher filzende Läuse und ein Ziehen in der Leistengegend. Bruce Twarze half sich mit seinen kleinen blauen Zauberpillen durch diese Nächte. Er wollte der wilden Jugend in nichts nachstehen. Angst zog ihm die Sackfalten glatt. Da mochte er so oft auf Holz klopfen, wie er wollte. Jüngere Stecher waren am Start, die bald in seine Fußstapfen treten würden. Und das ihm, dem Vater unzähliger Söhne. Jedenfalls, wenn er seinem Anwalt Glauben schenken wollte. Der sammelte alle Vaterschaftsklagen in einem dicken Ordner. Einmal im Jahr bündelte er sie mit einer schönen Schleife, und schenkte sie Bruce Twarze zum Geburtstag.
„Baby, du kannst mich ausblasen. Aber Finger weg von den Kerzen!“
Wenn er nicht pimperte, fühlte er sich unglaublich schlapp. Andere Männer in seinem Alter trugen Sockenhalter. Bruce hingegen Sackhalter. Nur eine handvoll auserwählter Herrenbekleider führte sie noch im Sortiment. In dieser Hinsicht glich er einer alten Frau ohne Büstenhalter. Ungebändigt schwangen sie wie zwei Uhrenpendel.

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