Schwenningen II
Die Stadt erstickt
hinter Wärmedämmplatten
der neuen Zeit.
Man schämt sich
für die Fachwerkbalken darunter
möchte nicht
an seine dörfliche Vergangenheit
erinnert werden
die schmalen Gassen sind verschwunden
die Scheunentore wurden Garagen
Hochhäuser schossen in den Himmel.
Grobe Menschen
mit der Ratschmentalität
von Waschweibern
verbreiten sich Nachrichten
über die Fensterbänke hinweg
schneller
als jede Zeitung.
Doch die Stadt atmet
mit ihrer eisernen Lunge
rostzerfressen
Bürk Kienzle Haller Mauthe Eppler
die Fabriken sind
aus der Innenstadt verschwunden
nach China
oder wo immer man
uns billig nachbaute.
Ihnen folgten die Studenten
in der Tradition der Uhrmacher
lernten sie technische Berufe
trieben die Mietpreise in die Höhe
aber nicht die Stimmung
zum Saufen reicht es grade noch
Helden der Nacht
auf gesprungenen Gehwegen
wie Fieberpusteln
aber gefickt wird nicht
in dieser Stadt
dazu sind sie zu bieder
verdienen es nicht
Studenten genannt zu werden.
Die Stadt verdrängt ihre Vergangenheit
der Steinadler im Hallenbad
dem man das Hakenkreuz
aus den Krallen schlug
der Huldigungsbalkon am Rathaus
das gleiche Kreuz
aus Eisen
kein Wort über die Juden
die damals verschwanden
und im braunen Haus am Marktplatz
residiert die Tageszeitung
wie eine späte Entschuldigung.
Wenn du
durch diese Straße fährst
denk daran
früher waren da Äcker
und am Horizont
der Wald.
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