Buchrezension "Babylons letzter Wächter" auf Kultliteraten


Im Babylon des 21. Jahrhunderts regieren die Unternehmen. Das Zeitalter der Kundenbindung mittels Werbung und geschicktem Marketing ist längst vergangen. Nun ist man auf einen neuen Zug aufgesprungen, um endgültig den Willen der Menschen zu brechen und sie zu perfekten Arbeitern und Konsumenten zu machen. Ohne den schleichenden Prozess zu bemerken, finden sich die Babylonier plötzlich in einer theokratischen Diktatur wieder, dem Kult des Wächters.

„Als ich erwachte, fand ich mich in einer sterilen weißen Zelle, ohne eine Erinnerung. Nachts durchschritt ich die Träume der Stadt auf der Suche nach mir selbst. Dabei stieß ich immer wieder auf Anhänger des Wächterkults. Was, wenn ein urbaner Mythos Wirklichkeit geworden war? Meine letzte Hoffnung war der Junge. Ich hatte ihn gerufen, damit er den Pfad der Erinnerung für mich abschreitet. Ob er mich aus meinem Gefängnis befreien konnte?”

Babylon: In der christlichen Mythologie steht die antike Stadt für das antichristliche Reich. In der modernen Literatur wird sie als Metapher für die als dekadent wahrgenommene, westliche Gesellschaft herangezogen. Reich dokumentiert mit kurzen, collagenartigen Geschichten die Menschen, die in dieser endzeitlichen Welt leben. Popstars, die ihre Groupies wie Gummipuppen vögeln, Versicherungsmakler ohne einen Funken von Skrupel und Fernsehsender, die mit Hinrichtungen live auf Sendung gehen. Und hoch oben, im Turme Babylons, sitzen anonyme Konzerne, die den Kult des Wächters für ihre Zwecke missbrauchen, während der Wächter selbst in einem ihrer Folterkeller gefangen gehalten wird.

Eine düstere Zukunftsvision im Stile von George Orwells „1984”. Nur macht hier nicht der Kommunismus den Menschen zu einer funktionierenden, rein biologischen Einheit, sondern der Kapitalismus, der aus allem den größt möglichen Profit ziehen will.

Mit seiner sehr guten und prägnanten Schreibe trifft Thomas Reich den Leser in Herz und Magen. Leider kommt der collagenartige, erste Teil der Geschichte wie eine zusammenhanglose Kurzgeschichtensammlung daher. Ein die Geschichte umfassender Bogen wäre wünschenswert gewesen. Dennoch lohnt sich die Lektüre. Empfehlenswert.

Den Roman "Babylons letzter Wächter" ist als E-Book bei lulu.com erhältlich. Mehr über Thomas Reich gibt auf seiner Autorenseite www.der-reich.de und seinem Blog www.dirtydichter.blogspot.com.

DANKE AN JESSICA DAHLKE FÜR DIE REZENSION AUF KULTLITERATEN!

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